Schaukelpferd selber bauen
Die Idee
Was schenkt man einem Neugeborenen, dessen Elternpaar so viele gut meinende Freunde und Verwandte hat, dass bereits vor der Geburt schon ausreichend Strampler und Kinderspielzeug für die ersten Lebensjahre vorhanden ist? Natürlich soll es etwas besonderes sein, pädagogisch wertvoll, frei von Schadstoffen, langlebig, …
Es ist nicht einfach. Doch dann kommt Christina die rettende Idee. Etwas Selbstgemachtes aus Holz und auch noch wertvoll für die Entwicklung eines Kindes. Das Schaukelpferd ist wohl einer der bekanntesten Klassiker in Sachen Kinderspielzeug. Mit ihm zu spielen erfordert Geschick und Körperspannung von den kleinen Reitern. Die Wahl des Materials fällt auf Holz. Es ist stabil, leicht und gut zu bearbeiten. Eingeölt mit Leinöl ist es einfach zu reinigen und völlig ungiftig.
Am Anfang steht die Skizze
Die Sitzhöhe wird anhand der käuflichen online aufzufindenden Schaukelpferde und einem Exemplar aus den 50er Jahren ermittelt. Ca 40cm sollen es sein und müsste damit ungefähr zu einem 2 bis 3-jährigen Kind passen. Ein Schaukelpferd für die ersten Lebensmonate ist nicht wirklich sinnvoll. Mittels Inkscape ist die abgebildete Skizze entstanden. Der Sattel soll etwas breiter sein als der Korpus, so dass man bequem sitzen kann. Die Kufen werden eine Länge von ca. 90cm bekommen. Aus der Skizze werden die Daten in FreeCAD übernommen und zu einem 3D-Modell zusammengefügt. Daraus ergibt sich die vollständige Konstruktion.
Die dritte Dimension
Das Rohmaterial, Bretterware aus dem Baumarkt, ist meist 18mm Dick. Der Korpus wird daher 3-Lagig, der Sattel bekommt auf beiden Seiten 2 Lagen und die Beine und Kufen werden einlagig. Eine Vorstellung davon, wie das Resultat letztlich aussehen könnte, wird mit FreeCAD erstellt.
Damit das Spielzeug belastbar wird und nicht splittert, ist ein festes Holz wünschenswert. Fichte ist zu weich und zu faserig. Es könnten sich leicht Splitter lösen und später eine Verletzungsgefahr darstellen. Außerdem würden schnell Schrammen und Macken entstehen. Buche und Eiche sind sehr schwer, hart und relativ teuer. Besser als Fichte, aber nicht optimal.
Nach etwas Rechrche finde ich im Baumarkt in der Nähe schließlich Birkenholz. Laut der Internetseite in den Maßen 400 x 800 und 500 x 2200, vor Ort zeigt sich jedoch, dass ausschließlich 600 x 2200 Platten zu haben sind. So eine Platte wird mitgenommen und die Einzelteile darauf so platziert, dass sie in Rechtecke passen, die auf einer Bearbeitungsfläche von 62x42cm bearbeitet werden können. Anschließend wird das Brett in diese Rechtecke zerlegt, die leichter zu handhaben sind als die vollständige Platte.
Das Bild zeigt, wo aus dem Brett die Einzelteile für das Pferd entstehen sollen. Die schwarzen Löcher im Plan sind Sackbohrungen, die roten werden durchgebohrt. Verbunden werden die Teile später mit 8mm Holzdübeln und Leim.
Für den letzten Feinschliff wird noch ein Dekor aus Auge, Mähne und Schweif gezeichnet. Schließlich soll das Pferd nachher auch gut zu erkennen sein.
Da sich im Holz Astlöcher und kleinere Fehler befinden, werden die schlimmsten Fehlstellen in das CAD-Programm übernommen und die Teile rundherum gelegt. Dadurch kann ich verhindern, dass der Fräser mitten durch ein hartes Astloch fährt oder dass ausgerechnet im Bereich des Auges ein besonders dunkler Fleck vorhanden ist. Die Einzelteile werden nummeriert, vermessen und im Dertail geplant.
Die ersten Späne fliegen
Die Konstruktion ist abgeschlossen und der praktische Teil der Arbeit beginnt. Mit Hilfe meiner selbstgebauten CNC-Maschine werden die Teile ausgeschnitten. Nun wird sich zeigen, ob die Maschine über genug Steifigkeit und Präzision verfügt, um Werkstücke dieser Größe zu bearbeiten. Der Fräser ist ein 5mm Zweischneider von Festool.
Rahmen mit aufgelegten Beinen. So bekommt man eine Vorstellung der Größe dieses Schaukelpferds. Alle Teile passen Nahtlos aneinander.
Nach und nach werden alle Teile geschnitten und auf Passgenauigkeit überprüft. Der Fräser ist scharf und die Maschine steif genug, dass ordentliche Späne entstehen und keine schwarzen Brandstellen entstehen. Bei einem Seitenteil zeigt sich leider, dass die Bohrung für den Handgriff 5mm weiter nach hinten gerutscht ist als geplant und das Teil so nicht zu gebrauchen ist. Dieser Fehler ist bereits in den Fräsdaten vorhanden, also nicht durch die Maschine entstanden, sondern durch falsche Programmierung. Damit das Teil nicht vollständig neu hergestellt werden muss, passe ich eine Scheibe Holz in das Loch, verleime diese und schneide schließlich ein neues Loch an die richtige Stelle. Auf diese Weise kann das Seitenteil weiter verwendet werden.
Um das Dekor aus Auge, Mähne und Schweif in die Seitenteile zu bekommen, müssen sie von der anderen Seite bearbeitet werden. Eine Schwierigkeit dabei ist, das Stück so umzuspannen, dass die Fräsung wieder an der richtigen Stelle ist. Dazu können die 8mm Durchgangslöcher der Beine und des Sattels gut verwendet werden. In eine Opferplatte werden an den gleichen Positionen 8mm Fangbohrungen gebohrt und dann das Werkstück mit Dübeln an die richtige Position gelegt. Dabei entsteht beim Aufspannen kein Spiel und es funktioniert so gut, dass auch das neue Loch für den Handgriff in diesem Arbeitsgang eingefräst wird.
Nach drei Abenden mit jeweils nur ca. 1,5h Fräszeit – schließlich möchte man seine Nachbarn nicht über Gebühr beanspruchen – kann man schon sehr gut erkennen, was es werden soll.
Die noch fehlenden Kufen sind mit ca. 90cm etwa 35cm länger als der größte Arbeitsbereich der Maschine. Deren maximale Bearbeitungsfläche beträgt 65×42 cm. Um dennoch gute Ergebnisse zu erhalten, wird auch hier mit Fangbohrungen gearbeitet. Da die Kufen symmetrisch sind, werden auch die Fangbohrungen symmetrisch angeordnet. In der Skizze sieht man Kufen, die freihand gezeichnet sind und im mittleren Bereich einen kleineren Radius aufweisen als außen. Das würde dazu führen, dass das Pferd leicht aus seiner Mittelposition kippt und sich dann weniger leicht weiter kippen lässt. Um ein gleichmäßiges Verhalten zu erzielen, werden die Kufen neu konstruiert und durch einen Kreis mit einem Radius von 85cm beschrieben.
Immer wieder während der Produktion werden die Teile mit Dübeln versehen und ineinandergesteckt, um festzustellen ob sie zueinander passen und spiegelrichtig sind. Keines der Teile muss neu produziert werden. Lediglich ein paar Astlöcher, die doch noch ihren Weg an eine sichtbare Stelle gefunden haben, werden ausgefräst und mit einem passenden Stück Holz wieder verfüllt.
Kanten brechen und Endmontage
Auch wenn alle Teile fertig sind und zusammengesteckt schon aussehen wie das Endresultat, ist bisher erst ca. 1/3 der Arbeit verrichtet. Die Oberflächen müssen noch glattgeschliffen, die Kanten gebrochen und das komplette Pferd mehrmals eingeölt werden.
Kanten brechen bedeutet, dass alle Ecken abgerundet werden. Alle Teile müssen rundherum bearbeitet werden, damit später keine Splitter herausstehen oder scharfe Kanten übrig bleiben. Das Holz wird anschließend mit 120er Sandpapier geschliffen, damit es eine glatte Oberfläche erhält. Jedes Teil wird einzeln solange bearbeitet, bis alle Bearbeitungsspuren verschwunden und auch die Fasern an den Stirnseiten nicht mehr spürbar sind.
Die Teile werdenn mit 8er Dübeln ineinandergesteckt und schoneinmal etwas geschliffen. Dort, wo mehrere Platten nebeneinanderliegen ergeben sich fühlbare Übergänge, die eingeebnet werden müssen. Verleimt wird zunächst noch nicht, damit zur Not ein Teil auch nocheinmal einzeln maschinell bearbeitet werden kann. Wenn die Oberflächen glatt sind, werden die Teile nocheinmal auseinandergenommen und mit Leim bestrichen. Damit die Verbindung belastbar wird, müssen die Flächen plan und ordentlich sauber sein. Damit der Leim seine volle Klebekraft entfalten kann, muss er außerdem mit großer Kraft verpresst werden. Dazu werden die Teile in kleinen Abständen mit Zwingen zusammengepresst. Unbedingt Brettchen unterlegen, damit die Schraubzwingen keine Kerben in den Oberflächen hinterlassen.
Wenn der Leim aus der Fuge austritt und unter eines der Brettchen gelangt, die zum Andrücken verwendet werden, muss das betroffene Brett sofort abgenommen und der Leim entfernt werden. Ist der Leim ausgehärtet, bekommt man das Brett nicht mehr rückstandsfrei entfernt. Der Leim braucht jetzt etwa 24 Stunden um auszuhärten.
Nachdem der Korpus verleimt ist, wird er erneut rundherum geschliffen. Der Korpus ohne Beine lässt sich gut handhaben und man kann alle Stellen gut zugänglich schleifen. Die Übergänge zwischen den Platten werden restlos weggeschliffen, da sich jetzt die Bretter nicht mehr gegeneinander verschieben können.
Nachdem der Korpus fertig geschliffen ist, werden der Sattel, die Beine und die Kufen verleimt. Wenn alles ausgehärtet ist, wird wieder geschliffen, bis keine spürbaren Übergänge mehr in den Oberflächen vorhanden sind. Die Rundhölzer für die Verbindung der Kufen sind 300mm lang und haben einen Durchmesser von 30mm. Der Handgriff ist 200mm lang und besitzt einen 24mm Durchmesser. Da der Leim anzieht, sobald das Rundholz in das passgenaue Loch geschoben wird, empfiehlt es sich, das Holz zu rändeln damit der Leim etwas mehr Platz hat.
Das vollständig verleimte Pferd wird nocheinmal rundherum mit 120er Sandpapier bearbeitet und die allerletzten Kanten eingeebnet. Auch die Kufen werden nocheinmal übergeschliffen, damit an den Befestigungsstellen der Achsen für die Beine kein Übergang spürbar bleibt.
Das Pferd wiegt jetzt etwa 7,5kg. Es fühlt sich glatt und angenehm an, so dass man es wahrscheinlich schon endbehandeln könnte. Wer versucht, die Oberflächen mit einem Papier mit 280er Körnung zu bearbeiten, wird feststellen, dass das Gefühl nocheinmal wesentlich besser wird. War es vorher eine angenehme Holzoberfläche, bekommt man jetzt eher das Gefühl einen feinen Stoff zu berühren. Die zusätzliche Arbeit lohnt sich also! Das gesamte Pferd wird ein weiteres mal geschliffen. Dieses Mal mit der feinen 280er Körnung.
Damit das Schaukelpferd leicht zu reinigen und beständig gegen Schmutz ist, wird es mit lebensmittelechtem Leinöl behandelt. Das Öl wird gleichmäßig mit einem Tuch verteilt und muss anschließend bis zu 4 Wochen bei Raumtemperatur aushärten. Die lange Bearbeitungszeit ist ein kleiner Nachteil von Leinöl. Die dadurch gewonnenen Vorteile sind jedoch: Langlebigkeit, Lebensmittelechtheit und eine robuste harte Oberfläche, die fast wie Lack glänzt und kratz- und abriebfest ist. Wenn doch einmal die Oberfläche angegriffen ist, kann einfach nachgeölt werden. Leinöl muss nicht nass-in-nass verarbeitet werden, sondern kann jederzeit an jeder Stelle neu aufgetragen werden.
One Comment
Stefan Sommer
Hallo!
Dieses Schaukelpferd ist wirklich klasse. Ich würde es gerne nachbauen.
Gibt es konkrete Pläne, die Sie mir per E-Mail zuschicken könnten?
Das wäre toll!
Vielen Dank für Ihre Bemühungen.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Sommer